“Generell funktioniert nichts immer und/oder bei jedem. Masken werden immer wieder auf niedrigschwelliger Ebene erklärt, z.B. die allgemeine Hygiene hervorgehoben und dass ja alle einen Mundschutz tragen. Es wird auch mal ‘mitgegangen’, dass man sich z.B. gemeinsam über den Mundschutz ärgert, um Gemeinsamkeit herzustellen (‘geteiltes Leid’ wird oft eher akzeptiert als vorzuschreiben) hin und wieder Späße darüber gemacht. Abstand kann bspw. durch vorheriges Vorbereiten von Räumlichkeiten (Entfernen von Stühlen), ggf. ein verstärktes ‘nacheinander Abholen’ verdeckt organisiert werden. Die verkleinerten Gruppenrunden können, je nach Ausprägung der Demenz, als feste Runde erklärt oder aber als ‘geschlossene Gesellschaft’, ein Begriff, mit dem auch weiter fortgeschrittene Erkrankte noch etwas anfangen können, deklariert werden. Die vergangenen Besuchsbeschränkungen mussten sehr individuell und abhängig vom Schweregrad der Erkrankung erklärt werden, oft auch mit Erklärungen, welche für die Betroffenen einleuchtender klingen als eine weltweite Corona-Epidemie. Eine Bewohnerin hat z.B. aber auch täglich aufs Neue von ‘der Epidemie’ erfahren und sich dann gewissenhaft an alles gehalten. Ebenfalls selbsterklärend ist, dass selbst funktionierende Ansätze oft immer wieder wiederholt werden müssen. Geduld und Ruhe sind dabei entscheidend, Hektik und ‘Dringlichkeit’ eher kontraproduktiv.”
Leitung des Sozialen Dienstes einer Einrichtung in Rheinland-Pfalz
Dieses Zitat aus der Praxis über die Begleitung von Bewohner*innen mit Demenz in einer stationären Altenpflegeeinrichtung während dieser Pandemiezeit spiegelt einige grundlegende Aspekte der S1-Leitlinie wider. Die Individualität der Bewohner*innen mit all ihren Bedürfnissen und Wünschen ist handlungsweisend für das Infektionsschutzmanagement der jeweiligen Einrichtung. Es muss hervorgehoben werden, dass für die Autorenschaft der S1-Leitlinie freiheitsentziehende Maßnahmen keine Option für Bewohner*innen mit Demenz darstellen, die sich nicht an die getroffenen Regelungen halten können.
- Es wird empfohlen eine „verstehende Diagnostik“ des Verhaltens anzuwenden, also die Gründe des Verhaltens einer Bewohner*innen nachvollziehen zu suchen.
- Wichtig ist deshalb die wiederholte Durchführung der Informationsweitergabe und Aufklärungspflicht gegenüber den Bewohner*innen mit Demenz. Die S1-Leitlinie schlägt hier z.B. individuelle Erinnerungsplakate für die Implementierung von Handhygiene vor.
- Es bietet sich ggf. eine 1:1-Begleitung zur verstärkten Förderung des Situationsverständnisses oder die Anwendung Verstehender Diagnostik an.
- Außerdem ist die Zusammenstellung eines multiprofessionellen Teams zur Problemlösung bei spezifischen Interessenskonflikten möglich, u.a. in Form von ethischen Fallbesprechungen.
- Sind Versuche zur Implementierung der Schutzmaßnahmen erfolglos so muss gemeinsam geklärt werden, unter welchen Umständen das Verlassen des Zimmers bzw. der Einrichtung möglich ist, ohne andere Personen durch eine mögliche Infektion zu gefährden.
Die Antworten aus dem Survey zeigen, wie schwierig es ist, einen guten Ansatz zu finden:
Wie die Antworten zeigen, ist hier jeder Fall einzeln zu betrachten, deshalb sind wir an dieser Stelle besonders an Ihrer Erfahrung interessiert. Bedenken Sie dabei bitte, dass es sich um ein ethisch besonders schwieriges Thema handelt und behalten Sie dies bei der Diskussion mit im Kopf. Umso wertvoller ist es, wenn Sie eigene Erfahrungen darüber teilen, wie mit dem Fall gut umgegangen werden kann, wenn Bewohner*innen nicht die Infektionsschutzmaßnahmen verstehen können.