„Es ist schon ein riesiger Einschnitt wenn Besuche nicht wie gewohnt erfolgen können, Berührungen, Umarmungen und der Besuch der Enkel und Urenkel leider nicht stattfinden kann. Sehr hoher Aufwand für Betreuung und Pflege um die Bewohner entsprechend am Leben wie gewohnt teilhaben zu lassen.“
Leitung einer Einrichtung in Bayern
„Bewohner*innen, die täglich Besuch bekommen haben, und auch deren Angehörige haben unter der Situation gelitten. Es hat sich gezeigt, dass Videoanrufe den Besuch nicht ersetzen.“
Leitung einer Einrichtung im Saarland
Die Einschränkungen von Besuchen haben den Alltag von Pflegeeinrichtungen stark beeinflusst. Während in Medienberichten vor allem Einsamkeit und Isolation der Bewohner*innen eine Rolle spielten, berichteten die Angestellten von Pflegeeinrichtungen auch davon, dass viele Geschenke überbracht wurden und teilweise Verwandte anriefen, die sich früher eher selten gemeldet hatten. Einige Mitarbeiter*innen berichteten sogar, dass nun mehr Zeit für die Beschäftigung mit Bewohner*innen bleibe. Vor allem zeigt sich hier, wie wichtig die Zusammenarbeit mit Angehörigen ist, die ebenfalls unter den Einschränkungen litten. Auch weiterhin ist damit zu rechnen, dass es wieder zu Einschränkungen kommen kann, deshalb ist es wichtig, sich langfristig mit Alternativangeboten zu befassen.
Während der Kontakteinschränkungen war es wichtig, Anzeichen sozialer Isolation (soziale Deprivation) von Bewohner*innen im Blick zu behalten. Dies galt und gilt insbesondere für Bewohner*innen, die sich nicht verbal ausdrücken können. Die Auswirkungen der Besuchseinschränkungen auf Menschen mit Demenz wurden beispielsweise im Survey unterschiedlich erlebt: Einige Mitarbeiter*innen berichteten, dass Bewohner*innen mit Demenz nahe Verwandte schnell nicht mehr erkennen konnten und “abbauten”, andere gaben an, dass auch Videotelefonie oder Fensterkontakte gut funktionierten. Eine eingehende Analyse der Anzeichen von sozialer Deprivation ist also sehr wichtig und wird von der S1-Leitlinie insbesondere im Vorfeld der Einführung von Besuchsbeschränkungen empfohlen.
Je nach den baulichen Voraussetzungen der Einrichtungen wurden in den vergangenen Monaten unterschiedliche Lösungen erarbeitet, um Besuche zu ermöglichen und gleichzeitig den Infektionsschutzmaßnahmen gerecht zu werden:
- Zu Beginn der Pandemie wurden – neben Videotelefonaten – Besuche über den Balkon oder am Fenster als einzige Möglichkeit ausgeführt.
- Viele Pflegeheime richteten einen Besucherraum oder einen Pavillon im Außenbereich ein, teilweise auch mit einer Plexiglas-Scheibe und Mikrofonen. Andere Einrichtungen entschieden sich gegen diese Form des Kontaktes, da es schwierig war, hier eine ungezwungene Besuchsatmosphäre zu schaffen.
- Einrichtungen, die einen Garten hatten, konnten ebenfalls Besuche im Außenbereich ermöglichen. Hier konnten Treffen in einem Mindestabstand und mit Mundschutz stattfinden.
Von den Mitarbeiter*innen der Pflegeeinrichtungen wurde ebenfalls auf das Thema Begleitung hingewiesen: Die Notwendigkeit von Begleitung hängt sowohl von den Besuchsformen (am Fenster, digital, im Außenbereich) als auch den kognitiven Fähigkeiten der Bewohner*innen ab.
In der S1-Leitlinie wird auf die Notwendigkeit hingewiesen, dass Einrichtungen Besuchspläne entwerfen, die ihren Gegebenheiten entsprechen. Es wird betont, dass eine einheitliche Regelung für Bewohner*innen bezüglich der Häufigkeit und Dauer von Besuchen sei nicht gerechtfertigt, da das Bedürfnis nach Besuchen stark variiere. Die aktuellen Empfehlungen der Robert-Koch-Instituts für Alten- und Pflegeheime geben die Bedingungen an, unter denen Besuche erlaubt sind. Hier wird vor allem die Abstimmung mit den Gesundheitsämtern gefordert. Generell ist es also wichtig zu beachten, dass die Besucherbetreuung nun zeitintensiver ist und dies in Arbeitsplänen mit berücksichtigt werden muss. Einen Überblick über die aktuellen Besucherbestimmungen der einzelnen Bundesländer findet man auf einer Seite des BIVA-Pflegeschutzbundes. Wir haben außerdem eine Fomulierungshilfe für eine Handreichung zur Besuchsregelung zusammengestellt, die hier abgerufen werden kann. Diese Handreichung basiert auf einer Handreichung aus den Niederlanden und muss jeweils mit den lokalen Gesundheitsämtern abgesprochen werden. Für die Registrierung von Besucher*innen hat das Robert-Koch-Institut ein Musterformblatt herausgegeben.
Meine Mutter (84) lebt seit 6 Jahren in einem Pflegeheim. Sie gehört der Kriegskindergeneration an (*1936), hat gelernt zu “gehorchen”, hält sich also nahezu “sklavisch” an die Maskenpflicht. Von Seiten des Trägers wurden die Bewohner ca. im Mai, als die ersten “Lockerungen” installiert wurden, mit einem Schreiben unter Druck gesetzt, der den Bewohner/-innen die fristlose! Kündigung ihres Heimplatzes androhte, falls “man” sich nicht an die “Regeln” (AHA) halten würde! Die Bewohner “durften” zwar das Heim verlassen, jedoch nahm meine Mutter “die Sache” dermaßen ernst, dass sie einen “Coffee-to-go” auf einer Bank, 50 Meter von der Eisdiele entfernt, fast auch nur noch mit Mund-Nasenschutz trank! Sie nahm einen Schluck (ohne Maske) und zog die Maske danach sofort hoch.
Für die “Besuche” gab es lediglich einen Wind geschützten Verschlag, wo sich EIN Angehöriger alle 14 Tage für 15 Minuten mit Plexiglas-Trennwand! Dabei hat das Haus eine Riesenterasse und einen großen Garten. Besuche wären hier durchaus sehr gut zu realisieren. I
In einer anderen Einrichtung existiert ein genügend großer Saal. Dort könnten mit dem nötigen Sicherheitsabstand gefahrlos Darbietungen (Musik / Schauspiel, etc.) stattfinden. Allerdings fehlt ein Hygienekonzept und die Leitung des Hauses spricht in-offiziell davon, dass es “für so etwas” zu wenig Personal gibt. Die Menschen (Bewohner), die ich seit dem “Lock-down” und den Besuchsbeschränkungen treffen durfte, haben kognitiv erschreckend stark abgebaut. Viele vermissen die Musik und mein kleines “Erinnerungsprogramm”, das im Wesentlichen eigentlich aus der Biographie der Bewohner “gebastelt” wird. Diese ganze Isolation wird in vielen Einrichtungen bis zum Frühjahr so gehen. Ich frage mich, wer von den Bewohnern dann noch leben wird…
Daniel Fernholz
Musiker & Musikgeragoge
Exam. Krankenpfleger (gewesen!)