Ein Gastbeitrag von Dr. Beatrix Döttlinger
Die Maßnahmen der Hygienerichtlinien durch COVID-19 können zu reduzierten Körper- und Sinneserfahrungen bei Heimbewohner*innen führen. Diese betreffen sowohl den fehlenden emotionalen Körperkontakt zu Angehörigen als auch zum Pflegepersonal. Ein erster wichtiger Schritt ist hierbei, dass die aktuellen Regelungen zu direktem Körperkontakt bekannt sind. Nur so kann den Empfehlungen für Schutzkleidung und Handhygiene nachgekommen werden und trotzdem Körperkontakt ermöglicht werden. Außerdem kommt es beispielsweise zu reduzierten Sinneserfahrungen durch weniger oder fehlende Ortswechsel und Abwechslung in der Umgebung (Keine Ausflüge, Feste usw.). Das bedeutet, die Bewohner*innen sind vermehrt darin auf sich selbst gestellt, Gefühle von Sicherheit und Geborgenheit zu entwickeln. Eventuell fühlen sich Bewohner*innen auch im Bett geborgen und wollen deshalb nicht mehr aufstehen.
Andreas Fröhlich geht im Konzept Basale Stimulation® davon aus, dass das Körper-Ich das primäre Selbst eines Menschen darstellt. Hier brauchen viele Bewohner*innen Unterstützung durch Pflegende, denn eine Hauptrolle spielt die Wahrnehmung des eigenen Körpers. Sich selbst in positiver Art und Weise zu spüren, stärkt die Ich-Identität und das Wohlbefinden. Wenn Pflegenden dies bewusst ist, können sie Bewohner*innen unterstützen auf ihre Art und Weise in den Tag und zu sich zu kommen. Dieses Vorgehen soll kurz anhand zweier Beispiele gezeigt werden.
Beispiel 1: Frau T. ist es wichtig, dass sie sich am Waschbecken mit der Pflegeperson auf Augenhöhe sitzend die Hände, Arme und ihr Gesicht waschen kann. Die Pflegenden achten dabei auf genügend Kopf zu Kopfabstand. Diese Handlungen kann Frau T. jedoch wegen ihrer fortgeschrittenen Demenz nur umsetzen, wenn ihr die Pflegeperson die passenden Bewegungen vormacht, also gestisch kommuniziert . Durch gestische Kommunikation können Pflegende körperliche Distanzen halten, auch wenn Bewohner*innen Unterstützung bei Handlungsumsetzungen brauchen. Nur wenn diese Art der Verständigung nicht oder nicht mehr greift, wird die zu pflegende Person durch Körperkontakt unterstützt. Die weitere Körperpflege nimmt Frau T. danach gerne von der Pflegeperson an, da es sonst zu Anstrengend für sie wird. Wenn sie dann noch sorgfältig gekleidet wird, sie ein ernst gemeintes Kompliment für ihr Aussehen bekommt, geht sie stolz und freudig in den Speiseraum. Sie geht nach diesem Erlebnis ausgeglichen in den Tag, weil sie etwas für sich getan hat und dabei eine wertschätzende Beziehung mit einem Menschen erleben konnte. Auch die Pflegeperson ist dann stolz, weil sie die Lebensqualität eines Menschen durch ihre Professionalität stärkte. Auch bei Menschen ohne Demenz kann gestische Kommunikation eine gute Methode sein, z.B. wenn bei Menschen mit Höreinschränkungen aufgrund des Mund-Nasen-Schutzes verstärkte Verständigungsprobleme bestehen.
Beispiel 2: Frau S. ist bettlägerig, durch einen Schlaganfall und Arthritis in den Händen kann sie keine Handlungen und Bewegungen selbständig ausführen. Sie wacht morgens oft unruhig und laut rufend auf. Hier bietet das Konzept der Basalen Stimulation® ebenfalls hilfreiche Angebote zur Förderung der Körperwahrnehmung. Wenn die Pflegeperson Frau S. ihren Körper durch eine Ausstreichung/Waschung für Menschen mit Hemiplegie erfahrbar macht, findet Frau S. Orientierung in sich und ihre Ich-Identität wird gefördert. Wenn das Angebot in einer für Frau S. nachvollziehbaren Art und Weise durchgeführt wird und ihre Äußerungen berücksichtigt werden, kann sie sich in einer Beziehung zu einer Person erleben, die ihr Sicherheit bietet. Ein solch körperliches Angebot zur positiven Selbstwahrnehmung, bietet einen direkten Zugang zum Fühlen und Erleben eines Menschen. Wenn bei Pflegenden die wesentlichen Bestandteile des Konzeptes Basale Stimulation Haltung, Kompetenz und Technik im Einklang sind, können sie Bewohner*innen durch krisenhafte Situationen professionell begleiten.
die Situation ermöglicht, so wie es beschrieben wird und im Bild erkennbar ist, mehr Eigenständigkeit. Im “normalen” Alltag sind es diese kleinen Handhabungen die häufig selbstverständlich übernommen werden. So einschränkend die Pandemie ist, so kann es in diesem Bereich zu neuem Bewusstsein führen.